»Buenas,
Babuschka, Matrjoschka, Pysanky?«
Verwirrt
hob Liliana den Kopf und sah die jungen Männer an, die vor ihr standen. Liliana
war so in ihr Buch vertieft gewesen, dass sie die beiden nicht bemerkt hatte,
bevor sie von ihnen angesprochen wurde.
»Cómo?
Wie bitte?«
»Erlauben
Sie, dass wir uns vorstellen: Mein Name ist Oleksandr und dies ist Sergey. Wir
sind Missionare aus der Ukraine und für ein Jahr hier in Argentinien. Wir
arbeiten für die Mission de la Santa Maria de la Cruz und um unsere Arbeit zu
finanzieren, verkaufen wir Souvenirs aus der Ukraine.«
Oleksandr
klappte die kleine Kiste auf, die er bis jetzt unter dem Arm gehalten hatte.
Darin befand sich ein kunterbuntes Sammelsurium aus Holzpüppchen und
Schmuckstücken.
Mit dem
Finger tippte Oleksandr eine der kleinen grellbunt bemalten Holzpuppen an.
»Matrjoschkas,
oft irrtümlicherweise auch als Babuschkas bezeichnet, sind ineinander
schachtelbare Holzfiguren …«
Bevor
Oleksandr weiter erklären konnte, winkte Liliana ab. Sie wusste, was
Matrjoschkas waren, ihre Großmutter daheim in Amsterdam besaß einige Exemplare,
die sie als Souvenir von Reisen mitgebracht hatte.
Aber die
knallbunten Holzpüppchen entsprachen so gar nicht Lilianas Geschmack. So etwas
würde sie sich nie daheim ins Regal stellen.
Und
überhaupt … Ich kaufe doch hier in Buenos Aires auf der Straße keinen
Russenkitsch, fuhr es Liliana durch den Kopf.
Während
Sergey sich weiterhin in gepflegtem Schweigen übte, fischte Oleksandr einen
Schlüsselanhänger heraus. Am Ende des Anhängers baumelte etwas, das wie ein
Osterei aussah.
»Pysanky«,
erklärte Oleksandr, »sind typisch ukrainische Ostereier, die mit einer
komplizierten Batik-Technik eingefärbt werden. Diese kleinen Schmuck-Pysanky
sind ein sehr schönes Geschenk. In unserer Heimat gelten sie als
Glücksbringer.«
Liliana
streckte die Hand aus und berührte das kleine bunte Osterei. Es war erstaunlich
filigran gearbeitet und hing an einer kurzen roten Kordel, an deren anderem
Ende ein Karabinerhaken befestigt war.
»Glücksbringer?«,
fragte sie nach. Vielleicht war das wirklich ein hübsches Geschenk. Auch wenn
Ostern noch etliche Wochen in der Zukunft lag.
Sie
überlegte. Ihr Nachbar Antonio, der immer ihre Pflanzen versorgte und ihren
Briefkasten leerte, wenn sie auf einer ihrer zahlreichen Geschäftsreisen war,
würde sich sicher über so ein kleines Geschenk freuen. Und morgen Abend war sie
bei ihrer Kollegin Marcia und deren Lebensgefährten Leo zum Essen eingeladen,
da wären zwei so aparte Glücksbringer vielleicht ein nettes Mitbringsel.
Und wer
konnte nicht ein wenig Glück im trüben Alltag gebrauchen? So eine hübsche bunte
Pysanka würde sich sicher gut an ihrem Arbeitsplatz machen, und mit dem kleinen
Karabinerhaken könnte sie sie an ihrer Schreibtischlampe befestigen.
»Gut, ich nehme vier Stück«, sagte sie. Oleksandr
lächelte sie strahlend an. Sorgfältig wählte Liliana vier verschieden
gemusterte Glücksbringer aus und bezahlte den lächerlich niedrigen Preis, den
ihr der Missionar nannte.
Lächelnd verabschiedete Oleksandr sich von Liliana
und auch Sergey verzog leicht die Mundwinkel nach oben und nickte ihr zu.
Liliana verstaute die Pysanky in ihrer Handtasche
und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Ihre Mittagspause war fast vorbei,
höchste Zeit, sich auf den Rückweg ins Büro zu machen. Sie erhob sich von ihrer
Parkbank, die im Schatten unter einem der Bäume am Rande des Parque Tres de
Febrero stand, und lief auf das Monumento de los Españoles zu, um die Avenida
Libertador zu überqueren.
Oleksandr
und Sergey setzten ihren Weg durch den Park fort. Einige Meter vom Parkweg
entfernt saß eine Gruppe Jugendlicher im Gras. Einige rauchten, ein Mädchen
reckte mit geschlossenen Augen ihr Gesicht in die Sonne, alle trugen lässige
Sommerkleidung und Flip-Flops oder Turnschuhe ohne Schnürsenkel. Sergey
steuerte auf die Jugendlichen zu, doch Oleksandr hielt ihn zurück.
»Die nicht«, sagte er.
Sergey sah ihn fragend an.
»Die sehen nicht gerade nach Geld aus«, meinte
Oleksandr. »Lass uns lieber die da ansprechen.«
Er deutete auf ein älteres Ehepaar, das auf einer
Parkbank im Schatten saß.
»Und warum gerade die?«, fragte Sergey.
»Schau dir doch nur mal seine Schuhe an. Das ist
feinste Maßarbeit, ich will gar nicht wissen, was die gekostet haben. Und ihre
Kleidung sieht auch nicht gerade billig aus.«
Sergey nickte und gemeinsam steuerten die beiden
Missionare auf die Bank mit dem Ehepaar zu.
Eine weitere Leseprobe gibt es nächste Woche.
Die komplette Novelle gibt es überall dort, wo es eBooks gibt, z. B. bei amazon:
Und für alle, die keine eBooks mögen: Die Taschenbuchausgabe ist in Vorbereitung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.