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Dienstag, 9. Oktober 2012

Leseprobe aus Dead in Dornbirn



»Hier möchte ich ja nicht tot annen Zaun genagelt sein«, motzte
Debbie.
»Was zum Teufel ist das?«, schlug Kyla in die gleiche Kerbe. Der Tourbus
der Poriomaniacs rollte langsam um das Gebäude und kam zum Stehen. Bei dem
Gebäude handelte es sich um den Schauplatz des heutigen Konzertes, den
Prachtclub Conrad Sohm. Und dessen idyllische Lage, mitten im Wald, ein
paar Kilometer außerhalb des pittoresken Städtchens Dornbirn, war momentan
der Stein poriomanischen Anstoßes.
»Was sollen wir denn bitte hier? Das ist ja voll in der Wallachei hier!«
Kyla begann, sich ernsthaft zu ereifern.
»Vielleicht ein Konzi für Waldschrate und Wolpertinger geben - schließlich
ist heute Halloween?«, spann Debbie den Faden weiter.
Zwei wütende Augenpaare richteten sich auf Tommi, den Tourmanager.
»Wenn das drinnen genauso nett ist wie von außen, spiel ich heut nur
Triangel«, schnappte Debbie und hüpfte Richtung Bustür, um eine erste
Ortsbegehung vorzunehmen. Kyla schleuderte noch einen hasserfüllten Blick
gen Tommi, der lieber keinen Kommentar abgab, und folgte Debbie wortlos.
Mittlerweile hatte Kurti, der Busfahrer, den Kofferraum geöffnet und der
größte Teil von Debbie befand sich in ebendiesem, auf der Suche nach ihrem
Trolley. Immer noch in Brast fetzte sie auf den Eingang des Clubs zu, ihr
Gepäck holperte so heftig hinter ihr her, dass die Räder förmlich Funken
schlugen. Mit Banalitäten wie Gepäck-Selber-Reintragen gab sich Kyla gar
nicht erst ab, schlug den Mantelkragen hoch und stolzierte hinter Debbie
her. Gemeinsam betraten sie den Vorraum - oder den Vorhof zur Hölle? Rechts
ein Tapeziertisch, der offensichtlich die Abendkasse darstellen sollte,
geradeaus ein hufeisenförmiger Bartresen, links daneben die Flügeltür, die
in den Bühnenraum führte. Und vor dieser Tür, die Augen bereits leuchtend
in freudiger Erwartung, kühles Bier fest in der Hand: Bruno!
»Ohmeingottderschonwieder!«, raunte Debbie.
Kyla blieb fast die Spucke weg. »Was macht denn der in Österreich?
Kontrollieren die gar nicht mehr an der Grenze?«
»Frach mich nich«, flüsterte Debbie zurück und setzte dann schnell ihr
süßestes falsches Lächeln auf. Mit einem flüchtigen Hi Bruno drängelte sie
sich schleunigst an ihrem selbstproklamierten Fan Nummer Eins vorbei.
»Hallo, wie geht's euch beiden?«, schmetterte Bruno begeistert.
»Frag mich inner Minute nochmal«, grummelte Kyla und quetschte sich hinter
Debbie durch die Flügeltür, kurz bevor diese zuschlug.
Sofort schimpfte Debbie los wie ein Rohrspatz.
»Mir reicht's echt langsam! Egal, wo wir auch auftreten, sogar in fucking
Austria mitten im Wald - Bruno ist schon da und steht sabbernd vor der
Tür!«
Einige der Crewmitglieder, die bereits vor der Band eingetroffen waren, um
mit dem Aufbau zu beginnen, blickten leicht erschrocken ob des lauten
Ausbruchs von ihrer Arbeit auf.
»Und wo sind die fucking Dressing Rooms in diesem Shithole?«, blaffte
Debbie in Richtung ihres Gitarrentechnikers Lorzi. Der sagte lieber gleich
gar nichts, die Anfälle seiner Chefin waren ihm ja schließlich nichts
Neues, sondern deutete nur stumm auf eine Tür rechts neben der Bühne.
Im Vorbeilaufen warf Kyla einen flüchtigen Blick auf die Bühne.
»Na toll! Ich hab schon Schulaulas mit größeren Bühnen gesehen. Wie sollen
wir denn da alle draufpassen?«
»Und ich wette, JEDE Schule hat bessere Umkleideräume als das, was uns dort
oben erwartet«, orakelte Debbie, während sie finster die schmale
Steintreppe hinaufspähte, die hinter der Tür lag.
Die schlimmsten poriomanischen Befürchtungen wurden noch übertroffen: Ein
langer, schmaler, flurähnlicher Raum, an dessen rechter Seite ein Büffet
aufgebaut war und auf dessen linker Seite zwei Türen zu zwei winzigen
Räumen führten, in denen sich außer je einem Sofa nicht viel mehr befand.
Kyla rümpfte das Näschen. »Supi. Und wo sind hier die Duschen?«
»Duschn hamma leida koane do herin«, erschreckte sie eine dröhnende Stimme
mit starker bairischer Färbung aus dem Hinterhalt. Ein fröhlicher, leicht
bauerntrampeliger Clubmitarbeiter freute sich offensichtlich fast ein Loch
in den Bauch, dass er den Poriomaniacs mit dieser tollen Information
weiterhelfen konnte. Zumindest strahlte er über sämtliche roten
Apfelbäckchen.
»Midm Duschn nachm Konzert miassads dann hoid wartn, bisz wieda im Hodej
seids. Aba vorher bleibds hoffendle no a weng zu unsrer zümpfdigen
Halloween Aftershow-Party. Alle meine Spez'n kumma nemle heid omnds.« Er
streckte eine seiner Pranken zwecks Handshake aus. »I bin übrigens da Sepp,
da Facility Manager.«
Beide Porios starrten wie versteinert den Herrn Hausmeister entgeistert an,
dann drehten sie sich wie einstudiert gleichzeitig zur Tür um, öffneten
ebenso synchron die Münder und brüllten durchdringendst im Chor
»TOOOMMIIIII!«.
Nachdem Tommi ordentlich die Meinung gegeigt worden war - inklusive leerer
Drohungen à la Wenn sowas nochmal vorkommt, cancel ich die Tour! (Debbie),
Ich spiel heut nur Triangel! (Debbie) und Tommi, passemauff! (Kyla) -
besorgte Myra, die immer ruhige und besonnene Leadgitarristin der
Poriomaniacs, erstmal eine große Kanne heißen Tee.
Nachdem sie Debbie, Kyla, Stella, der Drummerin, und sich selbst je einen
Becher eingegossen hatte, schnappte sich Myra ihren Tee und ging zur Tür.
»Alex holt grad meine Gitarren rein, da muss ich dabei sein.« Sprach's und
entschwand.
Kyla rührte Milch in ihr Teechen. »Dass die aber auch immer alle Gitarren
mitschleppt, die sie überhaupt besitzt.«
»Wieso? Sind halt ihre Babies«, meinte Debbie.
»Na, dass du das verstehst, war mir klar. Du trägst ja auch Dutzende
Guitars mit dir rum für das bisschen Rhythmus, das du spielst«, gab Kyla
zurück.
»Hey!«, verteidigte sich Debbie. »Ich brauch die alle! Und gegen Myra bin
ich ja wohl harmlos! Die kauft ja auch noch in jeder Stadt mindestens eine
Neue dazu!«
Während sie sich ereiferte, zog sie einen eleganten silbernen Flachmann aus
der Jackentasche und kippte einen äußerst großzügigen Schuss einer grünen
Flüssigkeit in ihren Tee.
Kyla schüttelte sich. »Wie kannst du bloß das Zeug saufen!«
Groß blickte Debbie sie über den Rand ihres Teebechers an. »Wieso? Das ist
der gute 70%ige. Absinth aus Tschechien - der putzt mir den Rachen durch,
da kann ich besser singen!«

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